Samstag, 18. Juli 2015

Ein Glied in der Kette der Freude

ISBN-13: 978-3-7787-7173-0
„Salomon, warum sind die Leute so gemein?“
Sind denn wirklich alle Menschen gemein, Sara? Das war mir noch gar nicht aufgefallen.
„Na ja, vielleicht nicht alle, aber die meisten schon. Ich verstehe nur nicht, warum. Wenn ich gemein bin, fühle ich mich schrecklich.“
Wann bist du gemein, Sara?
„Meistens, wenn jemand anders zuerst gemein war. Ich glaube, ich werde dann gemein, um es ihm heimzuzahlen.“
Hilft das?
„Ja“, antwortete Sara kleinlaut.
Und wie, Sara? Fühlst du dich besser, wenn du es ihnen heimzahlst? Ändert das etwas oder kannst du dadurch ihre Gemeinheit ungeschehen machen?
„Wahrscheinlich nicht.“
Nach meiner Erfahrung setzt das nur noch mehr Gemeinheit in die Welt. Es ist so, als würdest du ein Glied in der Kette des Schmerzes werden. Erst leiden sie, dann leidest du und dann trägst du dazu bei, dass jemand anders leidet und so weiter.
„Aber wer hat denn mit dieser schrecklichen Kette des Schmerzes angefangen?“
Es spielt eigentlich keine Rolle, wie das alles angefangen hat. Wichtig ist, was du damit machst, wenn sie dich erreicht. Worum geht es hier, Sara? Warum bist du ein Teil der Kette des Schmerzes geworden?
Sara, der speiübel war, erzählte Salomon von Donald, dem Neuen, und von seinem ersten Schultag. Sie sprach von den Angebern, die immer etwas zu finden schienen, mit dem sie Donald aufziehen konnten. Sie erzählte auch von dem Vorfall, der sich gerade erst im Flur abgespielt hatte. Und als sie beim Berichten diese Vorfälle noch einmal durchlebte, spürte sie, wie in ihr wieder die Wut hochkam. Als sich eine Träne aus ihrem Auge stahl und ihr die Wange hinunterlief, wischte sie sie wütend mit dem Ärmel weg. Sara war verstört darüber, dass sie schniefte und schluchzte, statt sich wie sonst angeregt mit Salomon zu unterhalten. So sollte es bei Salomon überhaupt nicht sein.
Die Eule war lange Zeit still, während chaotische Gedanken durch Saras Kopf schossen. Sie spürte, dass Salomon sie aus seinen großen liebevollen Augen beobachtete, aber es war ihr überhaupt nicht peinlich. Fast schien es, als ob Salomon etwas aus ihr herauslocken wollte.
Also, klar ist, was ich nicht will, dachte Sara. Ich möchte mich nicht so fühlen. Besonders dann nicht, wenn ich mit Salomon rede.
Sehr gut, Sara. Du hast gerade ganz bewusst den ersten Schritt gemacht, um die Kette des Schmerzes zu durchbrechen. Du hast ganz bewusst erkannt, was du nicht willst.
„Und das ist gut?“; staunte Sara. „Ich fühle mich aber gar nicht gut!“
Das liegt daran, dass du nur den ersten Schritt gemacht hast, Sara. Es gibt noch drei weitere.
„Was ist der nächste Schritt, Salomon?“
Also, Sara, es ist nicht schwer herauszufinden, was du nicht willst. Stimmst du mir zu?
„Ja, wahrscheinlich schon. Also, meistens weiß ich das schon.“
Woher weißt du, dass du an etwas denkst, das du nicht willst?
„Ich weiß es einfach irgendwie.“
Du weißt es, weil du dann etwas Bestimmtes fühlst, Sara. Wenn du über etwas sprichst oder an etwas denkst, das du nicht willst, nimmst du immer ein negatives Gefühl wahr - Wut, Enttäuschung, Verlegenheit, Schuld oder Angst. Dir geht es nicht gut, wenn du an etwas denkst, das du nicht willst.
Sara dachte an die vergangenen Tage, in denen sie mehr negative Gefühle gehabt hatte als sonst. „Du hast Recht, Salomon“, sagte sie. „Ich habe das in der letzten Woche oft gespürt, wenn ich gesehen habe, wie die fiesen Typen auf Donald herumhacken. Seit ich dir begegnet bin, bin ich so glücklich gewesen. Und dann wurde ich so wütend, weil sie Donald fertig machten. Ich kann jetzt sehen, dass meine Gefühle etwas damit zu tun haben.“
Gut, Sara. Dann wollen wir jetzt über den zweiten Schritt reden. Wenn du weißt, was du nicht willst, sollte es dann nicht einfach sein, herauszufinden, was du willst?„Also...“, begann Sara, die verstehen wollte, aber nicht sicher war, worauf das hinauslief.
Wenn du krank bist, was möchtest du dann?
„Ich möchte gesund werden“, antwortete Sara spontan.
Wenn du nicht genug Geld hast, um dir etwas zu kaufen, das du haben möchtest, was wünscht du dir dann?
„Mehr Geld“, kam die Antwort.
Siehst du, Sara, das ist der zweite Schritt, um die Kette des Schmerzes zu zerbrechen. Schritt eins ist die Erkenntnis dessen, was du nicht willst. Schritt zwei besteht darin, dich zu entscheiden, was du willst.“
„Also, das ist ja einfach.“ Sara ging es allmählich besser.
Der dritte Schritt ist der wichtigste, Sara. Diesen kennen die meisten Menschen nicht. Schritt drei lautet: Sobald du erkannt hast, was du möchtest, musst du es wirklich fühlen. Du musst darüber sprechen, warum du es willst; beschreiben, wie es wäre, es zu haben; es erklären; so zu tun, als ob du es hättest oder dich an etwas Ähnliches erinnern. Auf jeden Fall musst du so lange daran denken, bist du es fühlst. Beschäftige dich so lange mit dem, was du möchtest, bis du ein Gefühl des Wohlbehagens verspürst.Sara traute ihren Ohren nicht. Salomon ermutigte sie doch tatsächlich, ihre Zeit damit zu verbringen, sich Dinge vorzustellen. Deshalb hatte sie ja schon mehr als einmal Ärger gehabt. Es schien, als ob Salomon ihr das genaue Gegenteil von dem erzählte, was ihr die Lehrer in der Schule beizubringen versuchten. Aber sie hatte gelernt, Salomon zu vertrauen. Und sie war auf jeden Fall bereit, etwas Neues auszuprobieren. Was ihr die Lehrer erzählt hatten, funktionierte ja offensichtlich nicht.
„Warum ist der dritte Schritt der wichtigste, Salomon?“
Weil du erst dann wirklich etwas veränderst, wenn du deine Gefühle verändert hast. Sonst bleibst du ein Glied in der Kette des Schmerzes. Aber wenn du deine Gefühle veränderst, bist du ein Glied in der anderen Kette - man könnte sagen, in Salomons Kette.„Wie heißt denn deine Kette, Salomon?“
Eigentlich habe ich ihr keinen Namen gegeben. Man muss sie fühlen. Aber man könnte sie Kette der Freude nennen oder Kette des Wohlbefindens. Die Glückskette. Es ist eine ganz natürliche Kette, Sara. Das ist es, was wir wirklich sind.„Aber wenn sie so natürlich ist, wenn sie das ist, was wir alle sind, warum fühlen sich dann nicht mehr Menschen öfter gut?“
Die Menschen, wollen, dass es ihnen gut geht, und die meisten Menschen wollen auch sehr gern gut sein. Und das ist gerade Teil des Problems.„Was soll das heißen? Wie kann es ein Problem sein, wenn man gut sein möchte?“
Also, Sara, die Leuten möchten gut sein. Daher schauen sie sich an, wie andere Leute leben, um herauszufinden, was gut ist. Sie schauen sich die Verhältnisse an, in denen sie leben, und dann sehen sie Dinge, die sie für gut halten, und Dinge, die sie für schlecht halten.„Und das soll schlecht sein? Was soll denn daran schlecht sein, Salomon?“
Mir ist aufgefallen, dass die meisten Menschen nicht darauf achten, wie sie sich fühlen, wenn sie sich die Verhältnisse - gut oder schlecht - anschauen. Und da läuft die Sache aus dem Ruder. Statt sich bewusst zu sein, dass sich das, was sie sich anschauen, auf sie auswirkt, achten sie auf ihrer Suche nach dem Guten immer auf das Schlechte und versuchen, es wegzudrängen. Das Problem dabei ist einfach, dass sie Glieder in der Kette des Schmerzes geworden sind, wenn sie immer das ablehnen, was sie für schlecht halten. Die Menschen sind mehr daran interessiert, sich die Verhältnisse anzuschauen, die zu analysieren und zu vergleichen, als darauf zu achten, wie sie sich dabei fühlen. Und häufig ziehen sie die Verhältnisse wieder in die Kette des Schmerzes hinein.Sara, denk einmal an die letzten Tage. Versuch dich an deine stärksten Gefühle zu erinnern. Was war geschehen, als es dir in der letzten Woche so schlecht ging, Sara?„Ich fühlte mich furchtbar, als Tommy und Lynn sich über Donald lustig machten. Mir ging es schrecklich, als die Kinder Donald ausgelacht haben. Aber am schlimmsten fühlte ich mich, als Donald mich anschrie. Dabei habe ich doch nur versucht, ihm zu helfen, Salomon.“
Gut, Sara. Lass und darüber reden. Was hast du getan, als du dich so mies gefühlt hast?„Ich weiß nicht, Salomon. Eigentlich habe ich gar nichts getan. Ich hab‘ wohl die meiste Zeit zugeschaut.“
Das ist genau richtig, Sara. Du hast die Situation beobachtet. Aber die Situationen, die du beobachtest, sind genau diejenigen, die dich dazu bringen, ein Glied in der Kette des Schmerzes zu werden.„Aber Salomon“, erwiderte Sara, „wie soll man denn das, was falsch ist, nicht sehen? Und wie soll man sich denn nicht schlecht fühlen, wenn man es sieht?“
Eine sehr gute Frage, Sara. Ich verspreche dir, dass ich sie dir ausführlich beantworten werde, wenn die Zeit gekommen ist. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, dies alles auf einmal zu verstehen. Der Grund, warum es zuerst schwierig ist, es zu verstehen, ist einfach der, dass man dir beigebracht hat, etwas außerhalb deiner selbst zu beobachten - dass man dir aber nicht beigebracht hat, zu beobachten, wie du dich dabei fühlst. Folglich bestimmen äußere Situationen und Verhältnisse dein Leben. Wenn du etwas Gutes siehst, reagierst du darauf mit einem guten Gefühl, und wenn du etwas Schlechtes siehst, reagierst du darauf mit einem schlechten Gefühl. Weil Dinge außerhalb von euch selbst euer Leben bestimmen, sind viele von euch so frustriert. Deshalb werden auch weiterhin so viele Menschen Glieder in der Kette des Schmerzes werden.„Wie kann ich denn aus der Kette ausbrechen, damit ich auch anderen helfen kann auszusteigen?“
Nun, Sara, dafür gibt es viele Möglichkeiten. Aber die, die mir am besten gefällt, weil sie am schnellsten funktioniert, ist die: Denke Gedanken der Anerkennung und Dankbarkeit.„Anerkennung und Dankbarkeit?“
Ja, Sara. Konzentriere dich auf irgendetwas oder irgendjemanden und finde die Gedanken, durch die es dir am allerbesten geht. Erkenne andere Menschen oder Situationen so gut wie möglich an, würdige sie, lerne sie schätzen, sei ihnen dankbar, erkenne das Gute in ihnen. Das ist die beste Möglichkeit, ein Glied in der Kette der Freude zu werden.Weißt du noch, was der erste Schritt ist?„Zu erkennen, was ich nicht will“, antwortete Sara wie aus der Pistole geschossen. Das hatte sie begriffen.
Und der zweite Schritt?„Zu erkennen, was ich will.“
Sehr gut, Sara. Und der dritte Schritt?„Ach Salomon, das hab‘ ich vergessen“, jammerte Sara, die wegen ihres schlechten Gedächtnisses von sich selbst enttäuscht war.
Der dritte Schritt besteht darin, das Gefühl zu finden, das zu dem passt, was du willst. So lange darüber zu reden, bis du fühlst, dass du es bereits hast.„Salomon, du hast mir noch nicht gesagt, was der vierte Schritt ist“, fiel Sara plötzlich ein.
Ah ja, der vierte Schritt ist der beste, Sara. Jetzt bekommst du nämlich, was du möchtest. Schritt vier ist die so genannte psychische Manifestation deines Wunsches.Viel Spaß dabei, Sara, und streng dich nicht zu sehr dabei an. Übe einfach Anerkennung und Dankbarkeit. Das ist der Schlüssel. S. 61-69

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